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In Fortführung des Veranstaltungsformats „Dorstfeld im Gespräch“, das vom Projekt Quartiersdemokraten und dem „Runden Tisch für Toleranz und Verständigung in Dorstfeld“ ins Leben gerufen wurde, begrüßten am 16. November 2022 die „Quartiersdemokraten“ im neuen Dorstfelder Bürgerhaus „Pulsschlag“ den bekannten Schriftsteller Max Czollek.

Max Czollek ist Mitte dreißig, jüdisch und – wütend! Warum er wütend ist, wurde in der Lesung sehr deutlich. Denn er regt mit starken Thesen zu Fragen der gesellschaftlichen Integration, der Funktion von Erinnerungs- und Gedenkveranstaltungen und zur Perspektive jüdischer Identität in Deutschland auf. Czollek legt den Finger in Wunden und regt mit klarer Ansprache zum Diskurs und Perspektivwechsel an. Denn hierzulande herrschen seltsame Regeln: Ein guter Migrant ist, wer aufgeklärt über Frauenunterdrückung, Islamismus und Demokratiefähigkeit spricht. Ein guter Jude, wer stets zu Antisemitismus, Holocaust und Israel Auskunft gibt. Dieses Integrationstheater stabilisiert das Bild einer geläuterten Gesellschaft – während eine völkische Partei Erfolge feiert. Max Czolleks Streitschrift entwirft eine Strategie, das Theater zu beenden: Desintegration. Desintegriert euch! ist ein Schlachtruf der neuen jüdischen Szene und zugleich eine Attacke gegen die Vision einer alleinseligmachenden Leitkultur. Dieses furios streitbare Buch ist die Polemik der Stunde. Und diese Polemik wurde bei Czolleks Lesung sehr deutlich, denn seine Thesen müssen erst verdaut werden. Dazu diente im Anschluss an die Lesung eine kleine „Murmelrunde“ an den Tischen der Zuhörenden, die sich zunächst untereinander austauschten. In der anschließenden Diskussion wurde auch die politische Brisanz seiner Aufforderung „Desintegriert euch!“ klar: Mehrheitsgesellschaft? Was ist das? Gibt es sie (noch), wer gehört dazu bzw. gehört nicht dazu. Desintegriert gar die Mehrheitsgesellschaft? Und wem dient eigentlich die ständige normative Forderung nach einer gesellschaftlichen Homogenität. Müssten wir nicht stattdessen einen Konsens über die Form der Demokratie finden? Wären Streit und Diskurs dann die zentralen Formen einer wirklich vielfältigen, toleranten und lebhaften Gesellschaft?

Im sehr gut besuchten Saal des neuen Dorstfelder Bürgerhauses entwickelte sich aufgrund dieser Herausforderungen eine lebhafte und intensive Diskussion. Im Anschluss an die Lesung bestand zudem die Möglichkeit, ein von Czollek signiertes Buch zu erhalten und ein persönliches Gespräch mit ihm zu führen.

Wir bedanken uns bei Max Czollek und allen Teilnehmer_innen für einen spannenden und lehrreichen Abend. Wir freuen uns vor allem über die vielen neuen Gesichter in der gestrigen Runde und die rege Teilnahme an der anschließenden Diskussion. Mit ‚Dorstfeld im Gespräch‘ geht es am 7. Dezember um 18 Uhr im Pfarrsaal der St. Barbara mit dem Thema „Im Kampf gegen ZOG – Antisemitismus als Kernelement des Rechtsextremismus“ weiter.