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Im Jahr 2021 werden 1700 Jahre jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands gefeiert. Das ist keine
Selbstverständlichkeit, denn die Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland ist neben positiven Facetten auch geprägt von Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung. Ausgehend von einem christlichen Judenhass war der Antisemitismus in Deutschland ab dem 19. Jahrhundert ein populäres Ressentiment. Seine völkische Variante bildete das Kernelement des Nationalsozialismus. Obwohl dessen Ende keinen ideologischen Bruch bedeutete, will nach der Shoa in Deutschland niemand mehr als Antisemit gelten. Doch zweifelsohne ist diese Ideologie weiterhin verbreitet und hat in der Gegenwart neue Erscheinungsformen angenommen, in denen Ressentiments gegen Jüdinnen und Juden mitunter auf Umwegen artikuliert werden. Auch offene Formen brechen sich in hierzulande nach wie vor Bahn, sodass von einer Kontinuität des Antisemitismus in Deutschland gesprochen werden muss.

Für die Veranstaltungsreihe »Deutscher Antisemitismus« haben sich die Auslandsgesellschaft.de, die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, das Projekt Quartiersdemokraten sowie die Beratungsstelle ADIRA zusammengeschlossen,
um das Fortdauern des Antisemitismus zu thematisieren.

In vier Veranstaltungen werden die Geschichte des Antisemitismus nachgezeichnet, aktuelle Erscheinungsformen analysiert, Betroffenenperspektiven beleuchtet und Handlungsmöglichkeiten in verschiedenen Feldern diskutiert.

Die Veranstaltungsreihe wird vollständig digital via Zoom stattfinden. Um sich für die Veranstaltungen anzumelden, senden Sie eine Mail an mertes@auslandsgesellschaft.de. Sie erhalten dann vor der jeweiligen Veranstaltung alle notwendigen Zugangsdaten.

Flyer zur Veranstaltungsreihe.

Alle Veranstaltungen im Überblick:

21. Oktober 2o21 – 18.00 Uhr
Antisemitismus als Phänomen im Kontext deutscher Geschichte

Vortrag von Prof. Dr. Lars Rensmann

Antisemitismus ist, in seinen klassischen wie in modernisierten Varianten, auf dem Vormarsch in den europäischen Gesellschaften – und auch in Deutschland. Er manifestiert sich heute wieder in politischen Bewegungen des Rechtsextremismus, des autoritären Populismus und des Islamismus genauso wie in grassierenden verschwörungsmythischen sozialen Medien- Diskursen und zunehmend in Debatten im Mainstream
von Politik und Kultur. Was aber ist Antisemitismus und wie lässt sich seine politisch-kulturelle Bedeutung, Kontinuität
und Diskontinuität begreifen? Wie wirkt Antisemitismus vor dem Hintergrund der Geschichte, und insbesondere der nationalsozialistischen Judenverfolgung und der Ermordung der europäischen Juden? Der Vortrag analysiert Formen und Erscheinungsformen des Antisemitismus in der Gegenwart im Kontext der deutschen (und europäischen) Geschichte, seine Ursachen und Motive, und Strategien zu seiner Bekämpfung.

Prof. Dr. Lars Rensmann ist Professor für Europäische Politik und Gesellschaft an der Universität Groningen/Niederlande und Geschäftsführender Direktor des dortigen Zentrums zur Erforschung demokratischer Kulturen und Politik sowie des Fachbereichs Europäische Sprachen und Kulturen. Er ist Mitglied des Herausgeberbeirates u.a. des International Journal of Political Theory, Antisemitism Studies, des Journal of Contemporary Antisemitism, der Zeitschrift Perspektiven DS und der Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung.


Organisiert durch die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache


28. Oktober 2021 – 18.00 Uhr
Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus an Schulen und im Alltag

Vortrag von Prof. Dr. Julia Bernstein

Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das den Alltag von Jüdinnen und Juden in Deutschland prägt und auch vor der Institution Schule nicht Halt macht. Einerseits sind die gesellschaftlichen Erwartungen an Pädagoginnen und Pädagogen hoch, was deren Befähigung und Bereitschaft zur Vermittlung von Bildung und zur Abwehr gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betrifft. Andererseits sind jüdische Schülerinnen und Schüler nach wie vor Stigmatisierungen, Zuschreibungen und Identitätskonflikten ausgesetzt und erfahren Beleidigungen, Diskriminierungen, Bedrohungen und Gewalt. Ein Bild, das sich auch über die Institution Schule hinaus belegen lässt.
In ihrem Vortrag spricht Julia Bernstein über Betroffenenperspektiven auf Antisemitismus an Schulen und im Alltag. Sie
zeigt auf der Basis von ihr durchgeführter empirischer Studien, wie sehr die Wahrnehmung von Antisemitismus zwischen jüdischen Betroffenen und nicht-jüdischen Personen häufig auseinanderklafft, oftmals zulasten der Betroffenen.

Prof. Dr. Julia Bernstein ist Soziologin und Professorin für Diskriminierung und Inklusion in der Einwanderungsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences. 2020 erschien ihr Buch »Antisemitismus an Schulen in Deutschland«.

Organisiert durch die Auslandsgesellschaft.de Dortmund


04. November 2021 – 18.00 Uhr
Terror gegen Juden. Wie die antisemitische Gewalt erstarkt

Buchvorstellung mit Dr. Ronen Steinke

In Deutschland hat man sich an Zustände gewöhnt, an die man sich niemals gewöhnen darf: Jüdische Schulen müssen
von Bewaffneten bewacht werden, jüdischer Gottesdienst findet unter Polizeischutz statt, Bedrohungen sind alltäglich.
Der Staat hat zugelassen, dass es so weit kommt – durch eine Polizei, die diese Gefahr nicht effektiv abwehrt, sondern verwaltet; durch eine Justiz, die immer wieder beschönigt. Der jüdische Autor Ronen Steinke, selbst Jurist, ist durch Deutschland gereist und erzählt von jüdischem Leben im Belagerungszustand. Er trifft Rabbinerinnen und Polizisten, konfrontiert Staatsschützer, Geheimdienstler und Minister mit dem Staatsversagen. Viel muss sich ändern in Deutschland. Was zu tun wäre, erklärt dieses Buch. Im Anschluss wird es Zeit für ein gemeinsames Gespräch geben.

Dr. Ronen Steinke ist Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Seine juristische Doktorarbeit über Kriegsverbrechertribunale von 1945 bis heute wurde von der FAZ als „Meisterstück“ gelobt. Im Piper Verlag erschien seine Biografi e über Fritz Bauer, den mutigen Ermittler und Ankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Sein Buch »Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt« erschien 2020.

Organisiert durch das Projekt »Quartiersdemokraten« – einer Fach- und Netzwerkstelle für Rechtsextremismusprävention in Dortmund-Dorstfeld.


11. November 2021 – 18.00 Uhr
Die Kontinuitäten brechen?!

Podiumsdiskussion mit Sophie Brüss, Daniel Poensgen und Alexander Sperling

Das Jubiläumsjahr »1700 Jahre jüdisches Leben« zeigt die Vielfalt und den Alltag jüdischen Lebens. Doch gleichzeitig wird dieses durch antisemitische Einstellungen und Taten immer wieder gefährdet. Es ist daher konkretes Handeln erforderlich, um die lange Kontinuität des Antisemitismus zu brechen und diesen zu bekämpfen, gesellschaftlich als auch politisch. Doch was ist hierzu notwendig? Die Podiumsdiskussion am Ende der Veranstaltungsreihe setzt sich mit verschiedenen Möglichkeiten der Praxis gegen Antisemitismus auseinander, um hierzu Antworten zu fi nden. Dabei sollen verschiedene Aspekte betrachtet werden: Welche Ansätze können gegen Antisemitismus hilfreich sein? Welche Zusammenarbeit braucht es und wie können die nötigen Ressourcen gebündelt werden? Wie schaffen wir mehr Sichtbarkeit für das Problem und was sind konkrete Schritte, um den Kampf gegen Antisemitismus voran zu bringen? Wie kann endlich der Wunsch einer Normalität jüdischen Lebens eingelöst werden?

Zu diesen und weiteren Fragen werden mit Alexander Sperling (Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.ö.R.), Sophie Brüss (Referentin für Antidiskriminierungsarbeit bei SABRA Düsseldorf), Daniel Poensgen (Wissenschaftlicher Referent beim Bundesverband RIAS), moderiert von Micha Neumann (Berater bei ADIRA), unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen.

Organisiert durch ADIRA (Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Rassismus und Antisemitismus)