In diesem Jahr jährt sich das Erinnern und Gedenken an die Novemberpogrome zum 82. Mal. Für ein gemeinsames Gedenken in Dorstfeld hat das Projekt Quartiersdemokraten auch in diesem Jahr am 09. November eine Veranstaltung organisiert. Damit wurde nicht nur an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen erinnert, sondern auch ein Zeichen gegen aktuellen Antisemitismus gesetzt. Die Covid-19 Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen betrafen auch die jährliche Gedenkveranstaltung. Daher fand das Gedenken im kleinen Kreis statt, um die Gesundheit aller Beteiligten gewährleisten zu können. Der Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorstfeld e.V. wollte als Veranstalter trotzdem ein würdevolles Erinnern im Rahmen einer Kranzniederlegung am Mahnmal der ehemaligen Synagoge in Dorstfeld ermöglichen. In der Vergangenheit wurde die Gedenkveranstaltung in Dorstfeld von vielen Dortmunder Bürger*innen besucht und als wichtiger Teil des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus wahrgenommen. Bedauerlicherweise waren ein gemeinsames Beisammenstehen und Gedenken nicht möglich.
Ralf Stoltze, Bezirksbürgermeister Innenstadt-West, eröffnete die Zusammenkunft und wies auf die besondere Situation hin. Ihm folgte eine Rede vom Oberbürgermeister Thomas Westphal. Er machte deutlich, dass die antisemitischen Angriffe von 1938 die systematische Verfolgung von Jüdinnen und Juden markierten. Das Begreifen der grausamen Verbrechen durch die Nationalsozialisten sei schwer. Er betonte, dass ihm die Stolpersteine dabei helfen, die Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht wachzuhalten. „Stolpersteine helfen beim Begreifen individueller Schicksale“, so Westphal.
„Demokratie ist kein Selbstverständnis“
Rabbiner Baruch Babaev der jüdischen Gemeinde in Dortmund berichtete von einem Überlebenden aus der Gemeinde, der die schrecklichen Ereignisse der Pogromnacht selbst miterlebt hatte. Ebenso plädierte er für einen mahnenden Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Die aktuellen Anti-Corona-Demonstrationen zeigen, wie anschlussfähig antisemitische Verschwörungserzählungen sind – Antisemitismus ist eben nicht nur zentral für den Rechtsextremismus, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Demokratie ist ein Geschenk, das die Menschen nicht mehr zu schätzen wissen“ mahnt der Rabbiner. Nach seiner Rede sprach der Kantor der jüdischen Gemeinde ein Trauergebet zum Gedenken an die Toten.
Dortmunder Schulen beteiligten sich am stillen Gedenken
In den vorherigen Jahren gab es immer ein Begleitprogramm zur regulären Gedenkstunde von Dortmunder Schulen. In diesem Jahr wurde aufgrund der Covid-19 Pandemie darauf verzichtet. Trotzdem haben sich viele Dortmunder Schulen im Vorfeld auf das gemeinsame Erinnern vorbereitet. So haben sich Schüler*innen der Martin-Luther-King-Gesamtschule in Dorstfeld unterschiedliche Redebeiträge zum Thema Antisemitismus überlegt. Auch die Jugendgruppe „TARA- Teens against racism and antisemitism“ hat sich im Vorfeld mit Unterstützung des Projekts Quartiersdemokraten auf das Gedenken vorbereitet. Der achte Jahrgang der Wilhelm-Busch-Realschule in Dorstfeld besuchte vor der Kranzniederlegung das jüdische Mahnmal. Schüler*innen stellten dem Projekt Quartiersdemokraten Fragen zum Thema Engagement und Erinnerungskultur für ihren Beitrag in der Schülerzeitung.
Um die inhaltliche Stoßrichtung der Veranstaltung zu visualisieren wurden – wie im letzten Jahr – wieder große Banner mit der Aufschrift ‚Gemeinsam gegen Antisemitismus‘ aufgehangen. Diese transportierten nicht nur eine Botschaft, sondern wurden auch gezielt vor bekannte Wohnhäuser von Neonazis gehängt, um Störversuche zu unterbinden – die in diesem Jahr glücklicherweise ausblieben.
Das Projekt Quartiersdemokraten bedankt sich trotz der Umstände bei allen Beteiligten, die ein würdevolles Gedenken ermöglicht und ein wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus in Dorstfeld gesetzt haben.